Eingangsstatement
WILLKÜR im Umgang mit Kunst, Politik und sozialen Ereignissen ist die Vorstufe zu einer generellen Entwurzelung. Um eine Gesellschaft aufrecht erhalten zu können, bedarf es des achtsamen Umgangs mit ihren Werten. Dieser Umgang muss stets unabhängig von jenen Vorgaben stattfinden, die der Mainstream diktiert! Gerade jene künstlerischen oder gesellschaftlichen Prozesse, die in den – mitunter leisen Nischen – stattfinden, sind die essenziellen Konstituenten jeglicher Entwicklung.
Von Petra Ganglbauer (Schriftstellerin) für das 2. Open Cinema
Die Filme
1. UNBEKANNT (Aus den „Olympus Mons Archiven“)
- LOST TAPE 1 (3’22 min) Zerkratzte Schachtel / Farbe / Ton
- LOST TAPE – IGNORANCE (2’24 min) Rostige Blechdose / Farbe / Ton
- LOST TAPE 7 (7’01 min) Violetter Einband, stark verschmutzt / Farbe / Ton
BRUNI SAND (Aus den Bruni Sand Archiven)
- LOST TAPE 4 (7’57 min) Karton, weißes Band / Farbe / Ton
Als Möglichkeit einer Erklärung zur Entstehung der vorliegenden TAPES soll der Auszug aus dem 2. Kapitel des Romanfragments „Olympus Mons – Eine Geschichte des Verrats“ von Rudolf Müller dienen:
Zum Verlauf einer Verschwörung gehört der Zeitpunkt, an dem die Erzählstränge auseinanderdriften. Unmerklich vorerst, dann offensichtlich. Der verwirrte Betrachter verliert sehr bald die Möglichkeit, Vertrauen zu entwickeln. Allen betrachteten Veränderungen wird das Vertrauen entzogen, die Veränderung der Veränderung, der Glaube wird erschüttert, die Welt gerät aus den Fugen. Es bleibt nur noch die Möglichkeit der Interpretation … Wir suchen nach den Wurzeln, den Anfängen, den Ursprüngen der vermeintlichen Realitäten; die rätselhaften Spuren …… die rätselhaften Schemen …… lassen uns erblinden, bis sich die Nacht ausbreitet und Dinge geschehen, die wir – viel zu ungenau – Träume nennen … so werden die Spuren noch kräftiger verwischt …… irgendwann glauben wir den Verwirrungen … und nennen sie Normalität
Videoband: Aus dem Schatten tritt eine Gestalt in grauem Mantel und Anzug, zwei Pistolen im Halfter, eine wunderschöne Frau im wallenden Kleid nähert sich ihm, Wind, Hitze, Mittag, sie nähern sich langsam, die Lippen in Großaufnahme, im Mundwinkel eine Zigarre, die roten Lippen der Frau, sie lächelt, es beginnt zu regnen, das Kleid der Frau wird nass, die Gestalt im grauen Anzug nähert sich der Frau, legt den Mantel schützend um die Frau und sie betreten gemeinsam den Saloon ..
Ungenaue Zeitkoordinaten (Bildfragmente, teilweise noch 16mm, schlammig):
HÜTTEN am Strand – irgendeine Heimat von Jemandem.
Tonband: aus einer Gitarrenrückkoppelung entsteht – „zittriger Kobold!“
HÜTTEN, Punkt und Aus, ein Bass-Solo, Dächer aus Türen, Türen aus Holz, Gitarrenstimmen, langsam, ungenau, lau
Schließer betritt einen weißen Verschlag. Weiß Gott, was Schließer in dieser Gegend verloren hat!
Andererseits kein Wunder, die meisten Menschen wehrten sich damals mit Händen und Füssen gegen eine Einberufung in Scotts Armee, Schlammlöcher auf fremden Planeten, Aliens mit Tentakeln, unterwürfige Störungen in Kontrollfunktionen …
Diese kleine Insel auf Terra war ein Zufluchtsort … Auf einem der nächsten Fotos – wir werfen den Blick auf eine Gedenktafel, rechts ist hier links, damit kann man den Blick einordnen, die Straße nennen sie VIA MAUSER HORIZONTE.
„Gehört Ihnen“, sagt ein Schwarzer zum Weißen unter der Mittagssonne. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was wir wirklich sahen, im gleißenden WEISS der flimmernden HITZE. Habmann und mein Schattenwurf, jedenfalls tauchten sie dort wieder auf. „Der wirkliche Mord steht mir noch bevor“, sagt Schließer und hält dabei eine schäbige Figur des Gottes Baal in der Hand.
Pluto Sanchez, Baldur Tinktur, Ganymed Oinkment, Boogie-La, Bloody Haze, Ink und Ink und Wishbone so heißen die Läden in der VIA MAUSER HORIZONTE. Es sind getarnte Schutzräume, weiß gestrichene Wände, manchmal stört ein Vogelschrei die Stille, die Tarnung der Verlassenheit, öde Sandwelten. Soviel zu unserem ungenauen Standort, Tantrastrahlen schützen die Körperflüssigkeiten, Geisterheilungen werden in Widerspruch versetzt, usw.
(Die Beschreibungen deuten auf das Vorhandensein weiterer „LOST TAPES“ hin, sie wurden bis heute aber noch nicht entdeckt oder veröffentlicht.)
2. ALEXANDER BAYER und GRZEGORZ KIELAWSKI
2016 / 55 min
In gleichsam insektischem Wahrnehmungsmodus tastet sich der Film durch eines der größten Stadtentwicklungsgebiete Europas. Die Baufelder der Seestadt Aspern Wien werden zum Diskursfeld über städtische und gesellschaftliche Entwicklung der Gegenwart. Gespräche mit Bewohnern und Werbetexte fügen sich zu einem offenen Geflecht. Geräusche, Bilder und Stimmen eröffnen einen Assoziationsraum. Zwischen Reflexion und Projektion, zwischen Auge und Ohr zeichnet sich auf dem Grund eine Stadt ab.
3. JACK HAUSER
- Fantômas et nature morte
1987 / Farbe / Ton / Super-8
30 min (18 B / sec)
mit Helmut Schütz
Filmkritiker Stefan Grissemann schreibt dazu in der Tageszeitung Die Presse am 1. Juli 1993 als Vorankündigung des durchkomponierten Abends „Filme von Hauser / Müller“ im Kino im WUK:
(…) Hausers Fantômas setzt jeweils 4 Minuten lange, umgeschnittene Super-8-Rollen zu sieben radikal objektiven, dokumentarischen Stadt-, Straßen- und Menschenansichten in Paris und Wien zusammen: eine hochklassige, meditative Anleitung zum Sehen – und eine suggestive, unprätentiöse Analyse der Situation des Filmens und Gefilmtwerdens. (…)
4. HERMANN J. HENDRICH
Für den Inhalt kann das Gedicht von Ch. Loidl stehen, für Marc: sag mir den wein/mit dem ich deine asche mischen soll/ich werd ihn trinken.
5. ANDREAS SCHERLOFSKY
@sherlofsky:
Aus der Reihe Lost in Paradoxon 4 Versuche in der kurzen Form
2019 / 20 min
- „Umgang mit Büchern“ (Kopfkino)
- „aber vorher noch das: …“
- „Glaslebigkeit: Vom kleinen, vom großen und vom ganz großen Übel“
- „Mein Leben, ein Haiku“